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Wasserschloss Schweiz: quo vadis?

TRUMPF IN GEFAHR

Mit der Wasserkraft hat die Schweiz einen energiewirtschaftlichen Trumpf in der Hand. Aber nur unter den richtigen Rahmenbedingungen kann sie ihn bei der Umsetzung der Energiewende auch ausspielen.

WASSERSCHLOSS SCHWEIZ – QUO VADIS?

Kostengünstig, effizient, erneuerbar: Sämtliche Attribute sprechen für die Wasserkraft. Das aktuelle Marktumfeld spricht gegen sie. Ein Paradox, das sich die Schweiz und Europa über kurz oder lang nicht leisten können und das nach einer Lösung ruft.

Mit rund 36 Terawattstunden jährlicher Produktion stammen heute fast sechzig Prozent des in der Schweiz erzeugten Stroms aus Wasserkraft. Bis in die 1970-er Jahre – vor der Inbetriebnahme der Kernkraftwerke in der Schweiz – betrug der Anteil der Wasserkraft an der gesamten Stromerzeugung in der Schweiz sogar nahezu neunzig Prozent. Knapp 600 Zentralen umfasst der Kraftwerkspark, die Kleinstwasserkraftwerke sind darin nicht mitgezählt. Die eindrücklichen Zahlen belegen: Für die Schweiz und insbesondere die Gebirgskantone ist die Wasserkraft fundamental. Als natürliche Ressource, die dank der geeigneten Topografie zur Stromproduktion genutzt werden kann, verringert sie die Abhängigkeit vom Ausland und trägt wesentlich zur Versorgungssicherheit bei. Sie ist erneuerbar, mit Konzessionsdauern von bis zu achtzig Jahren und Lebensdauern darüber hinaus nachhaltig, in der Gesellschaft weitgehend akzeptiert und über ihre gesamte Nutzungsdauer gesehen eine der kostengünstigsten Produktionsformen. Nebst ihrer Bedeutung für den Energiestandort Schweiz beinhaltet die Wasserkraftnutzung mit einer Bruttowertschöpfung von rund 2,4 Milliarden Franken pro Jahr auch eine ausgeprägte volkswirtschaftliche Komponente. Der Bau und der Betrieb von Wasserkraftwerken generieren Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Aufträge für kleine und mittlere Unternehmen auch in Rand- und Bergregionen.

Dank ihrer Fähigkeit, auch Regelleistung bereitzustellen, sind Speicher- und Pumpspeicherwerke hochflexibel, in der Lage, die Produktionsschwankungen aus Wind- und Photovoltaikanlagen auszugleichen und für die Netzstabilität unabdingbar. Erst diese Flexibilität macht die Entwicklung des Energiesystems hin zur vermehrten Nutzung der neuen erneuerbaren Energien überhaupt möglich.

GESTEHUNGSKOSTEN TEILWEISE HÖHER ALS VERZERRTE MARKTPREISE

Technisch und ökologisch bringt die Wasserkraft somit ideale Voraussetzungen mit, die Basis der Energiewende zu bilden. Der dritte Aspekt im Spannungsdreieck von Umwelt, Technik und Wirtschaftlichkeit hingegen ist ernsthaft in Frage gestellt. Strom aus (Gross-)Wasserkraft kann in finanzieller Hinsicht nicht mehr mit den Marktpreisen mithalten, die durch Einspeisevergütungen für Wind- und Solarenergie und zunehmend auch Kapazitätszahlungen für notwendige Reservekraftwerke massiv verzerrt sind. Kommt hinzu, dass die Wasserkraft zusätzlich mit steigenden Wasserzinsen, Steuern und weiteren Konzessionsleistungen an die öffentliche Hand belastet wird. All diese Umstände haben zur paradoxen Situation geführt, dass die wichtige und unter Marktbedingungen absolut konkurrenzfähige Wasserkraft enorm an Wert verloren hat. Die erzielbaren Erlöse sind unter anderem durch die Subventionierung einzelner Produktionstechnologien derart tief, dass sich die Stromproduktion aus Grosswasserkraft kaum mehr rechnet (vgl. Grafik S. 7).

Die neuen erneuerbaren Energien sollen weiterentwickelt werden – das stellt niemand in Frage. Dass die Art und Weise, wie sie ausgebaut und gefördert werden, gleichzeitig die «herkömmliche» erneuerbare Energie vor grosse Probleme stellt, ist jedoch absurd. Insbesondere die effiziente Grosswasserkraft, die mit lediglich einem Zehntel aller Anlagen neunzig Prozent der schweizerischen Stromproduktion aus Wasserkraft ausmacht, leidet unter der aktuellen Entwicklung. Und wenn bereits bestehende Wasserkraftanlagen kaum mehr rentabel betrieben werden können, ist die Situation für neue Vorhaben noch komplexer. Ausgezeichnete Projekte wie Lagobianco und Chlus, die in der Bevölkerung und bei Umweltorganisationen breite Unterstützung finden, sind unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen nicht realisierbar. Dies, obwohl ihre flexiblen Kapazitäten dringend benötigt werden und ein Zubau von Wasserkraft im Rahmen der Energiestrategie 2050 des Bundes ausdrücklich angestrebt wird. Verschiedene Studien – unter anderem des Bundesamts für Energie und des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands – kommen ebenfalls zum Schluss, dass unter den aktuellen Rahmenbedingungen, entgegen den Zielen der Energiestrategie des Bundes, ein Ausbau kaum möglich ist.

AKTUELLE FÖRDERMODELLE FÜHREN NICHT ZUM ZIEL

Um den grossen Wert der Wasserkraft und das enorme Potenzial, das in ihr steckt, zu erhalten, täten vor allem Deutschland und die Schweiz gut daran, die aktuelle Förderpraxis zu überdenken. Vergütungsmodelle – im Besonderen das Erneuerbare-Energien-Gesetz in Deutschland – weisen nebst ihrer marktverzerrenden Wirkung weitere gewichtige Nachteile auf: Die Förderabgaben und damit auch die Gesamtkosten der Stromversorgung sind für die Endkunden seit ihrer Einführung massiv gestiegen und der CO2-Ausstoss hat zu- statt abgenommen. Ausserdem zeigt sich eine zunehmende soziale Ungleichheit zwischen Boden- und Dachbesitzern, die von der Umlage profitieren und Wind- oder Photovoltaikanlagen installieren können, und dem Rest der Bevölkerung, welche mit hohen Abgaben die Kosten dafür tragen muss. Ein geeignetes Instrument, die neuen erneuerbaren Energien zu fördern, ohne die Wasserkraft zu benachteiligen, ist das marktnahe Quotenmodell (s. Kasten).

Erfolgt keine Korrektur, ist das Gelingen der Energiewende ernsthaft in Frage gestellt. Die negativen Auswirkungen auf die Schweiz und insbesondere die wasserreichen Gebirgskantone dürften sich dann noch akzentuieren.

DAS QUOTENMODELL

Im Rahmen ihrer Möglichkeiten setzt sich Repower für eine Stärkung der Wasserkraft ein. Sie begrüsst und unterstützt die Bestrebungen der Politik, mittels Quotenmodell auch im erneuerbaren Bereich Wettbewerb einzuführen. In Schweden und Norwegen wird das Modell bereits erfolgreich angewendet. Dabei wird auf politischer Ebene regelmässig der Anteil der erneuerbaren Energien festgelegt, den die Versorger ihren Kunden liefern müssen. Das Quotenmodell hat gegenüber Einspeisevergütungen die folgenden Vorteile:

  • es fördert die neuen erneuerbaren Energien, ohne den Wert der Wasserkraft zu vermindern
  • es setzt marktwirtschaftliche Prinzipien nicht ausser Kraft
  • es begünstigt die effizientesten Anlagen und verhindert ineffiziente Investitionen
  • es fördert den technischen Fortschritt, da es ein Anreiz für die Forschung ist
  • es lässt der Politik den nötigen Spielraum in der Steuerung des Zubaus